Deutschland – Costa
Rica
Donnerstag, 8.6.06
13 Uhr: Ich hole Troll am Bahnhof in Walldorf ab und wir begeben uns
schnurstracks auf den Weg nach München. Die stauträchtige A8 soll
umfahren werden und somit begeben wir uns erst mal auf die A6 Richtung Nürnberg.
Die ersten Helfer der Choreogruppe sind bereits am Dienstag gefahren und
haben bereits zwei Tage lang die knapp 60000 Fähnchen im Stadion
verteilt. Während ursprünglich lediglich eine „Südkurven-Choreo“
mit dem DFB abgesprochen war, möchte die FIFA eine
Komplett-Stadion-Choreo. Nun gut. Die Hauptfolie, eine Weltkugel mit
abgehenden Sonnenstrahlen in schwarz, rot und gold wurde bereits Wochen
zuvor gefertigt und vom Chef-Organisator bereits am Dienstag per LKW in
die bayrische Landeshauptstadt gebracht. Zusammen mit den Fähnchen wird
nebend er 70x 20m großen Blockfahne eine weitere Folie von 20 x 20m
mitgenommen. Diese soll im Mittelrang in die Sonnenstrahlen eingebaut
werden. Es kam natürlich alles ganz anders.
15 Uhr: Wir stärken uns kurz in Crailsheim und nehmen heute mal den Weg
über die A9, vorbei an Nürnberg und Ingolstadt, mit direktem Ziel
Allianz-Arena, äh ich meine natürlich „Fifa-WM-Stadion-München“.
17 Uhr: Wir sind nun endlich da. Ich parke und lasse mich im
Organisations-Zelt akkreditieren. An Stand 1 lächelte mich eine nette
junge Dame an und fragt mich nach meinem Ausweis. Ungefähr 30 Sekunden
später schickt sie mich um die Ecke zu einem Ihrer Kollegen. Der macht
ein Foto von mir und gut 60 Sekunden später befinde ich mich an
Schalter Nummer 3 um bereits meinen Ausweis mit Bild zu empfange. Das
ging schnell.
17.15 Uhr: Wir laufen Richtung Stadion. Die Schlange am
Umschreibungszelt ist bestimmt 150m lang und wird schnell hinter uns
gelassen. Reporter aus aller Welt berichten bereits aus München und wir
können dem südamerikanischen Mikrofonhalter gerade noch entgehen.
17.25 Uhr: Die Eingangskontrolle lässt mich 20 Minuten in der Sonne
stehen, bevor mir gesagt wird, dass ich für heute ein Extra-Kärtchen
brauche. Ein kurzer Anruf bei Karsten, der bereits seit ein paar Stunden
im Stadion hilft, sagt mir, dass ich die Zusatzkarte für einen heutigen
Eintritt im Zelt abholen hätte müssen. Da aber eh um 18 Uhr die
Mannschaft ihr Abschlusstraining absolviert, werden alle Arbeiter aus
dem Stadion gekehrt. Die Zeit nutzen wir beide um den nächstmöglichen
Campingplatz anzusteuern. Insgesamt 13 Euro zahle ich für Auto, Zelt
und einen Erwachsenen. Troll hilft mir bei den Aufbaumaßnahmen und
nachdem ich merke, dass unter der zwei Zentimter dicken Erdschicht nur
noch Steine kommen, möchte ich am liebsten den ungewaschenen und wie
ein Atmokraftgegner aussehenden Rezeptionsfritzen aus seinem Häuschen
ziehen. 13 Euro für verbogene Heringe und in umittelbarer Nähe zur
Autobahn. Ein Schnäppchen. Auf dem Campingplatz tummeln sich weitere
deustche Fans und auch ein paar englische Autos werden gesichtet. Danach
geht es schnurstracks zurück zum Stadion. Die anderen drei befinden
sich gerade auf dem Weg raus. Somit warten wir auf die anderen Helfer,
die von der Abteilung Eishockey in der Choreogruppe dabei sind. Einer
sitzt noch im Auto und wir entschließen uns dann zu sechst noch für
einen gemütlichen Grillabend Zeug einzukaufen.
18.45 Uhr: Ich darf vorfahren und bewege mich Dank Trolls Navi in die Münchner
Innenstadt. Den nächstbesten Supermark anzufahren um das nötige
Grillzeug zu kaufen, wird schwieriger als gedacht. Mit zwei Autos
irgendwo mal ranfahren und einkaufen ist leider nicht. Nachdem wir nun
halb München gesehen haben, finden wir doch noch einen Penny bei dem
man in unmittelbarer Nähe parken kann.
19.30 Uhr: Ponsch hat gut 25 Würste dabei, zwei Einweg-Grills und
massig Steaks. Dazu kamen Toastbrote und Getränke. Auf jeden Fall
gewinnt man den Eindruck, man könne davon bis Ende der WM gut über die
Runden kommen.
20 Uhr: Wir steuern den Pizza-Hut am Olympiapark an und drücken uns
erst mal eine Cheesy-Crust in den Kopf.
22 Uhr: Auf direktem Weg und zufälliger Weise alle mit schwarzen Pullis
geht es rüber zum Olympiapark, in dem die erste WM-Party stattfinden
soll. Leider ist nicht mehr allzu viel los und so schlendern wir relativ
gemütlich einmal durch und wieder zurück. Am Stand vom Hauptsponsor
Hyundai treffe ich noch einen Securitybeamten, der auch schon beim Bau
der SAP-Arena als Sicherheitsmann unterwegs war und mir bei den Führungen
sehr geholfen hat.
23 Uhr: Mit drei Autos fahren wir zum Campingplatz zurück. Kurz vor dem
abbiegen noch ungewohnt viele rote Lichter. Ein Puff links und nette
Damen in bunt beleuchteten Autos rechts, wollen uns wohl sagen, dass man
hier gegen Bares wohl auch ein „Törchen“ schiessen kann. Wir
schmeissen die beiden Einweggrills auf dem Parkplatz an. Zu guter Musik
von Mike Krüger versuchen wir die Dinger in Gang zu kriegen. Gut eine
halbe Stunde später haben wir es auch geschafft, dass er endlich
brennt. Genau da kommt der Besitzer des Campingplatzes mit einem
polnischen Freund und bietet uns höflich die Grills auszumachen. Sein
Kollege aus dem östlichen Nachbarland quarkt uns dagegen auf dümmlichste
Weise voll und schüttet Spezi über den Grill. Mein Hals ist kurz vorm
Platzen und während sich der Besitzer für die peinliche Vorstellung
seines Kumpels entschuldigt, trotten die zwei schon wieder in die kleine
Bar aus der sie hergekommen waren. Keine 5 Minuten später fliegt die Tür
wieder auf und der Besitzer scheint dem Spezischütter mal eine
ordentliche Rechte verpasst zu haben. Es ist zu dunkel um was zu sehen,
aber das Geschrei ist groß und das Geheule auch. Irhgendeine Brille für
600 € ist wohl auch im Eimer und wir können uns ein Grinsen nicht
verkneifen. Gutes Spezi verschütten, rächt sich immer.
1 Uhr: Ich tigere in mein Zelt und sehe auf dem Weg zum Zähneputzen
noch zwei Streifenwagen vor dem Campingplatz stehen. Endlich kehrt Ruhe
ein.
Freitag, der 9.6.06
7.30 Uhr: Mein Handy weckt mich und ich versuche meine Zehen in neue
Deutschland-Flip-Flops zu schieben. Man ist das ein ekelhaftes Gefühl.
Gescheite Badelatschen sind einfach besser und meine Zehen können sich
mit der Schnur auch nicht anfreunden. Zähne putzen, Duschen gehen und
danach Zelt abbauen.
8.30 Uhr: Ich bezahle den Campingplatz und dieser
Clerasil-Psychlogiestudent mit der 70iger Jahre Frisur grinst genauso
ungewaschen daher wie gestern. Auf der Preistafel sehe ich, dass er mich
um zwei Euro bescheissen will und frage höflich nach wie er denn auf
den Preis kommt?! Er verweist auf das verdeckte Schild hinter dem
Briefkasten auf dem der Saisonzuschlag von 2 € steht. Einen
„Saisonzuschlag“ müsste man Ihm für den steinharten Boden und die
stinkenden sanitären Anlagen direkt in sein Gesicht geben. Aber ich
bleibe gelassen, denn heute ist der Auftakt zu Deutschlands sieben
Siegen in Folge.
8.40 Uhr:
Auf die A99 geht es auf direktem Weg zur Arena. Auch am zweiten Tag haut
sie mich optisch nicht vom Hocker. Wir parken auf einem freien Grundstück
neben dem Hornbach-Parkplatz und entkommen der Abzocke der Parkhauswärter.
9 Uhr: Der Rest der Trümmertruppe wird aus Karstens Alfa Romeo
herausgeholt. Sie haben tatsächlich zu dritt im Auto geschlafen.
9.30 Uhr: Wir lassen uns am Eingang durchchecken. Vorher gebe ich Troll
noch meine Eintrittskarte. Wenn er jemand sieht, der noch Tickets
braucht, kann er meine Karte noch verkaufen.
Ich bin erstaunt was um diese Uhrzeit schon im Stadion rumwuselt. Größere
Gruppen von Hostessen lassen unsere Herzen höher schlagen. Securitys,
Ordner, Catering-Service, die Leute für die Eröffnungsfeierlichkeiten
und viele weitere bevölkern bereits das Stadion.
10 Uhr: Die restlichen Fähnchen werden verteilt.
11 Uhr: Troll hat jemand gefunden, der meine Karte auch ohne Vollmacht
übernimmt, klingelt bei mir durch, fragt nach und somit überlasse ich
Ihm die Karte zum Vorzugspreis. Bin scheinbar kein echter Kapitalist und
lasse mich von „ich heiße doch auch Thomas“ und „meine kleinen Söhne
wollen auch mit rein“ geradezu breitschlagen.
12 Uhr: Die Vorbereitungen sind fertig. Wir bekamen noch einige
Volunteers zur Verfügung und somit ging es recht zügig. Wir versuchen
jetzt die Gutscheine loszuwerden, die alle Helfer bekommen. Gar kein
leichtes Unterfangen.
13 Uhr: Die FIFA verbietet uns eine Stunde vor Stadionöffnung den
bundesdeutschen Adler im Mittelrang. Die 400m² Folie muss raus aus der
Choreo, weil sie ja im Oberrang ist und somit über der von uns
gezeigten Welt steht. Offizielle Begründung der FIFA: „Deutschland
darf nicht über der Welt stehen.“ Mit Unverständnis räumen wir die
Folie wieder raus. Nun wird es stressig, da uns Fähnchen fehlen um die
Lücke zu schließen. Wir ziehen die letzten zwei Reihen des Oberrangs
ab und verringern das Bild an manchen Stellen.
14 Uhr: Die Stadiontore werden geöffnet und die Banner-Freaks rasen wie
die Gestörten an die Bande. Pech nur, dass heute keine Transparente gewünscht
sind. Lediglich an der Betonmauer oben unterm Dach und im Mittelrang auf
der Seite der Kameras darf man was befestigen. Große Diskussionen, aber
auch „Air-Bäron“ und „Selm-City“ können keine Erfolge erzielen
und hängen später ganz oben.
14.30Uhr: Jetzt haben wir ein wenig Verschnaufpause und sehen uns das
Treiben an. Die erste Reihe hinterm dem Tor ist etwas verwirrt, weil da
eine recht große Folie liegt und Ihnen den Platz versperrt. Abgesehen
davon stehen Boxentürme vor dem Block, die den ersten drei Reihen die
Sicht aufs Spielfeld nehmen.
14.35 Uhr: Ich bekomme einen Anruf von jemanden der bei der
Mitfahrzentrale meine Nummer bekommen hat und von München nach
Heidelberg will.
14.45 Uhr: Wir gehen noch schnell die letzten Sachen in den LKW laden,
bevor dieser hinausgefahren werden muss. Dabei kann man wunderbar
beobachten wie genau jedes Auto kontrolliert wird. Mit Spiegeln leuchtet
man auch unter die Vehikel.
16 Uhr: Ich schaue mir mit Karsten mal an, was so am VIP-Eingang aus den
dicken Karren aussteigt. Das Begrüßungskomitee in Form von Blatter,
Zwanziger und Beckenbauer darf hochrangige Gäste begrüßen. Bayerns
Innenminister Beckstein, Merkel, Stoiber etc. sind nur ein paar wenige,
die wir sehen. Insgesamt machen sich zuviele Leute wichtig und deswegen
gehen wir auch irgendwann wieder.
16.30 Uhr: Letzte Besprechung. Die Einteilung erfolgtundich darf mit
einem Mega den Leuten im Mittelrang erklären was sie nachher möglichst
mit ihren Fähnchen machen sollen.
17.15 Uhr: Ich gucke mir mal den Block an und bemerke, dass die Fans von
Costa Rica bis weit in die deutsche Kurve untergebracht sind. Dazu sind
es unerwartet viele und ich tippe mal auf ca. 5000. Ich beginne den
Leuten die Choreographie zu erklären und gucke einen Typ an und denke
mir noch so, den kennste doch. Tja und da saß Thomas Helmer inmitten
der deutschen Kurve. Leider außenrum auch massig Costa Ricaner,
Mexicaner, Endgländer, Australier etc.
17.45 Uhr: Ich habe eigentlich nichts von der Eröffnungszeremonie
mitbekommen. Hab nur den Grönemeyer mal kurz rumhüpfen sehen und jetzt
kommt Toni Braxton mit einem Kleid auf die Bühne, das Ihr alles
abverlangt.
17.50 Uhr: Zu einem Song (welcher weiß ich gar nicht mehr), gehen die Fähnchen
im Stadion hoch. Auch die Leute, die bis dato nicht wissen was sie damit
machen sollen, schalten schnell und kramen die Dinger unter Ihrem Sitz
hervor. Natürlich ist die Blockfahne noch nicht oben, denn die
Choreographie soll ja erst mit dem Einlaufen der Mannschaft komplett
wirken. Trotzdem bekomme ich eine Gänsehaut, denn das Muster mit den
Wellen wirkt besser als ich es für möglich gehalten hätte. Auch die
VIPs schwenken eifrig mit.
17.54 Uhr: Als die Mannschaften reinkommen geht die Folie hoch. Leider
wollen die Fans in diesem Moment entweder alles sehen oder fotografieren
und somit sind nicht mehr viele Fähnchen oben und das Gesamtbild sieht
nicht so aus wie gewünscht.
18 Uhr: Rechtzeitig zur Hymmne befinde ich mich an der obersten Mauer im
mittleren Rang. Neben mir stehen noch Basti, Ponsch und Karsten. Über
uns befinden sich die Logen.
18.06 Uhr: Phillip Lahm lässt ein ganzes Stadion (bis auf eine rote
Ecke) erzittern. Mit einem Traumtor schiesst er uns zur Führung.
18.12 Uhr: Costa Rica kann ausgleichen.
18.17 Uhr: Klose trifft aus kurzer Distanz zum 2:1.
18.45 Uhr: Die Pause. Erst jetzt bemerken wir, dass wir im
Verbindungsgang zwischen VIP-Bereich und Tribüne stehen. So kommt es
auch, dass direkt an uns, Berti Vogts, Paul Breitner, Frank Mill, Pierre
Litbarski, Bodo Illgner und einige andere Fußballgrößen der
vergangenen Jahrzehnte vorbeilatschen. Besonders zu erwähnen gilt es
natürlich die vielen blonden Spielerfrauen (vorallem die von Karambeu)
und die sensationellen O-Beine von Litti. Ich könnte schwören, der war mal ne Blondine oder ist früher wie Münchhausen
auf der Kannonenkugel geritten.
19 Uhr: Die Ex-Spieler kommen zurück, während der Großteil der Damen
im VIP-Bereich bleibt.
19.05 Uhr: Auf dem Trampelpfad zwischen VIP-Bereich und Tribüne ist
immer noch gut was los. Jetzt aber hurtig und latscht mir nicht ständig
vor der Linse rum.
19.16 Uhr: Klose kann die Führung ausbauen. Die Stimmung in der Arena
aber trotzdem nur nach Toren gut. Ansonsten bewahrheiteten sich meine
Befürchtungen über die Gewinnspiel-WM. Jeder will die einzigartige
Atmosphäre erleben, aber keiner will sie machen. Die Nordkurve dagegen
mit guten Ansätzen und auch Costa Rica macht einigermaßen Alarm.
19:28 Uhr: Wieder ist es Wanchope der für die Gäste trifft und somit
verkürzt.
19.43 Uhr: Frings erlöst dieses Land durch ein Sahnetor und versetzt
Costa Rica den Dolchstoß.
19.47 Uhr: Das Spiel ist aus und Deutschland braucht nur noch sechs
Siege um endlich wieder Weltmeister zu sein.
20.25 Uhr:Vor dem Stadion russische und südamerikanische Fernsehsender.
Dazu ein Auto mit mexikanischem Kennzeichen, das extra angereist ist.
20.30 Uhr: Wir wollen uns noch schnell im Volunteerzelt mit unseren
Gutscheinen den Magen vollstopfen als es heißt: Alles weg! Damit es
sich überhaupt lohnt werden wenigstens möglichst viele Getränke
abgegriffen. Wir marschieren auf direktem Weg zum Auto, an dem auch
schon die Mitfahrgelegenheit wartet (war vorher ausgemacht).
21 Uhr: Endlich Abfahrt. Wir kommen relativ gut weg und fahren erst mal
bis hinter Augsburg (Burgau) um im Burger King eine Mahlzeit zu uns zu
nehmen.
1 Uhr: Ich setzte Troll in Fußgönheim ab und die Mitfahrgelegenheit
namens Tobias in Seckenheim, bevor ich ins Bett falle.
|